Review zum Symposium: Wie wollen wir wohnen?

Donnerstag, 28. März 2019
18:00 – 20:30 Uhr

Deutsches Architekturmuseum / Schaumainkai 43 / 60596 Frankfurt am Mai

Gesellschaft im Wandel, Nachhaltigkeit und Digitalisierung umreißen die Begriffe, die unsere Gesellschaft aktuell diskutiert und zukünftig bestimmt. Auch für die Architektur und den Städtebau sind diese Begriffe von großer Relevanz, sie werden sich zukünftig in ihren Gebäuden und Planungsentwürfen widerspiegeln. Das erste Symposium 2019 widmet sich diesem Thema „Wohnen“.

Gefragt wurde nach tragfähigen Konzepten im Wohnungsbau, die nicht nur Aspekte der Wirtschaftlichkeit, des Wohnkomforts oder der architektonischen Gestaltung beinhalten, sondern veranschaulichen, wie nachhaltiges und gutes Wohnen für die urbane Gesellschaft im Wandel in Zukunft aussehen könnte. Vorgestellt wurden in Impulsvorträgen Projekte in Frankfurt und Berlin, deren Aussagen in einem anschließenden Podium diskutiert wurden.

Jens Jakob Happ, Architekt, Happarchitecture. JJH Architekten GmbH, Frankfurt am Main: Vortrag „Städtische Wohnhäuser“:
Er unterstreicht die Bedeutung des Wohnens für das Wohlbefinden des Einzelnen. Voraussetzung für eine solche gute Wohnkultur sei ein Stadtbild mit engen Räumen mit Verlagerung von Qualitätsmerkmalen in den öffentlichen Raum. Statt Siedlungsbau soll sich wieder auf eine Gestaltung des urbanen Wohnraums integriert in das städtische Umfeld konzentriert werden. Damit wird die Trennung von Stadtplanung und Architektur aufgehoben, die Stadt bleibt als Ganzes im Blickfeld und die Einzelgebäudeplanung folgt sowohl dem Primat des Städtischen und dient stets dem Ensemble, in das sie im Sinne von Wohlfühl-Wohnkultur zu integrieren ist.

Peter W. Klarmann, Architekt, Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte Wohnstadt, Frankfurt am Main: Vortrag „Laborbericht der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt – Vom Unikat zum Prototyp“
Er verfolgt in seinem Tätigkeitsfeld u.a. das Ziel, innerhalb bestehender Räume zusätzlichen Wohnraum durch innovative Nachverdichtungen und Quartiersergänzungen zu schaffen. Dabei hat es sich gezeigt, dass serielles/modulares Bauen sich nicht durchsetzen kann, weil es sich den Produktgegebenheiten unterordnen muss und deshalb die Ansprüche an Raumeffizienz, integrativen Bestandsfit und Qualitätsanforderung nicht immer ausreichend erfüllt. Als Innovation zur effizienten Flächennutzung stellt er einen Hallenbau mit Kleinst-Wohnboxen (7,5qm) vor, die der Prämisse von maximierten Gemeinschaftsbereichen bei gleichzeitiger Minimierung des Individualbereichs, z.B. für Studenten oder Seniorenwohnalternativen, umsetzt. 

Prof. Dr. Paul Kahlfeldt, Architekt, Kahlfeldt Architekten, Berlin Vortrag „Werkbund Stadt Berlin. Ende oder Anfang?“
Er appelliert an die Architekten schöne Häuser zu bauen und plädiert dabei für eine Erstarkung der individuellen Architektur. Architektonische Gestaltung soll keine Kostenfrage sein, sondern eine Frage des Wollens. Die mangelnde Architektur in der Praxis resultiere auch aus einer zunehmenden Theoretisierung/Entfremdung in der Architektenausbildung. Besonders aber seien die Bauvorschriften/-auflagen als gegebene Kostenfaktoren vehement zu hinterfragen. Auch den momentanen Stillstands des Projektes „Werkbund“ führt er ursächlich auf das vorgeschriebene Baugenehmigungsverfahren zurück, in dem zu viele Stationen mit Einspruchmöglichkeit eingebunden sind, die nicht nur für dauernde Kompromisslösungen und damit eine Verfälschung des originären architektonischen Konzeptes führen, sondern auch das Gesamtverfahren unakzeptabel in die Länge ziehen. 

Als Einleitung zur abschließenden Paneldiskussion führte Dr. Matthias Alexander (Ressortleiter Regionalteil der FAZ) mit der Frage „Woher wissen wir eigentlich, wie die Leute wohnen wollen“ zurück zum Symposiumsthema:

Prof. Helmut Kleine-Kraneburg, Architekt, Gruber + Kleine-Kraneburg Architekten, Frankfurt
Er betont, dass gewachsene Strukturen nachgefragt werden und deshalb Stadtentwicklung und Architekten miteinander zu verbinden sind. Daher ist der Städtebau mit vielen Architekten und folgerichtig vielen unterschiedlichen Baukonzepten seine Wunschvorstellung.

Prof. Dr. Paul Kahlfeldt
Neben seinem wiederholten Ruf nach einer stärkeren architektonischen Gestaltung sieht er Umzugsoptionen mit verschiedenen, auch den sich verändernden Lebenssituationen der Bewohner angepassten Grundrissen und Qualitäten als Vitalelement des städtischen Wohnens an. Damit ginge auch eine Durchmischung der Wohngebiete einher. Als Regulativ der Preisentwicklung denkt er an eine Begrenzung der Grundstücksfläche für Investoren auf z.B. 1500 qm.

Peter W. Klarmann
Er vertritt die Gegenposition zum Ruf nach mehr Architektur mit seiner These, dass der Wunsch nach preiswertem Wohnraum jede Architektur dominieren muss. Gefragt sei „Masse vor architektonischer Klasse“. Insofern interessiere nicht die Frage wie wir wohnen wollen, sondern wo wir wohnen können. In seinem Plädoyer für die Schaffung von preiswertem Wohnraum auch zu Lasten der architektonischen Individualität beklagt er vehement Mitreden und Mitbestimmen von zu vielen in den Genehmigungsprozess eingebundenen Mitentscheidern.

Jens Jakob Happ
Im Gegensatz zu Peter Klarmann vertritt er individuelles, architektonisches Bauen, den besonders standardisierten Massenbau lehnt er ab. Er deutet an, dass sich Frankfurt vielleicht einen zu großen Luxus an Grünflächen leistet und somit an reizvollen Flächenreserven vorbeigeht. 

Vielen Dank an unser Kuratoriumsmitglied Dr. Thomas Kohts, der uns diesen schriftlichen Überblick zur Verfügung gestellt hat.