Frühstück auf dem Mainschiff mit Herrn Stadtrat Prof. Dr. Marcus Gwechenberger

v.l.n.r. Steven Jedlicki, Helmut Kleine-Kraneburg, Marcus Gwechenberger, Marie Nauheimer, Jamal Daoud, Jens Happ, Gottfried Milde, Wolfgang Böhm

Ahoi liebe Leserinnen und Leser,

Am 21. November 2023 fand auf dem Mainschiff ein ganz besonderes Frühstück statt, das von Herrn Stadtrat Prof. Dr. Marcus Gwechenberger unterstützt und von der Primus-Linie ermöglicht wurde. Trotz des kühlen Dienstagmorgens versammelten sich zahlreiche Gäste Schiff und der Andrang zu dieser Veranstaltung freute uns besonders, da es unsere letzte Mainschifffahrt in diesem Jahr war.

Prof. Dr. Marcus Gwechenberger begeisterte die Anwesenden mit seinem Vortrag zum Thema "Integrierte Stadtentwicklung Frankfurt - für eine gerechte, produktive und grüne Stadt". In der anschließenden Diskussionsrunde stellte sich Prof. Dr. Marcus Gwechenberger den Fragen und Anregungen der Gäste. Leider verging die Zeit wie im Flug, denn der Bedarf nach einer Fortsetzung dieser wichtigen Diskussion war spürbar.

Wir hoffen, auch im neuen Jahr wieder so viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei unserer Mainschifffahrt begrüßen zu dürfen. Bitte beachten Sie, dass diese exklusive Veranstaltung nur für Mitglieder der Stiftung zugänglich ist. Weitere Informationen finden Sie weiter unten.

Vielen Dank an alle, die zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben. Wir freuen uns auf die Fortsetzung dieser bereichernden Gespräche im nächsten Jahr und laden alle Mitglieder herzlich zu unserer exklusiven Schifffahrt auf dem Main ein.

 

 

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Wir weisen darauf hin, dass die Stiftungsarbeit des urban future forum e.V. ausschließlich durch Spenden finanziert wird. Als gemeinnütziger Verein sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen, um auch weiterhin interessante Veranstaltungen und Diskussionen zu ermöglichen.
Ihr finanzieller Beitrag ermöglicht es dem urban future forum e.V., wichtige Projekte zu realisieren, innovative Ideen zu fördern und weiterhin eine Plattform für den Austausch über zukunftsweisende Stadtentwicklung zu bieten. Mit Ihrem Engagement tragen Sie aktiv dazu bei, unsere Städte lebenswert, nachhaltig und zukunftsorientiert zu gestalten.
Wir möchten Sie ermutigen, Teil dieser wichtigen Initiative zu werden und gemeinsam mit uns einen Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfähigen urbanen Welt zu leisten. Ihre finanzielle Unterstützung macht einen entscheidenden Unterschied.

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Frankfurter Metropolengespräch : Die Großwohnsiedlung als Zukunftsmodell?

v.l.n.r. Prof. Dr. Michael Mönninger, Stefan Bürger, Prof. Dr. Maren Harnack und Prof. Helmut Kleine-Kraneburg. © GWH, Michael Rynkowsk

Vor knapp einem Monat, am 06.11.2023, fand unser letztes Metropolengespräch in diesem Jahr in Kooperation mit der IHK Frankfurt und der GWH Hessen im beeindruckenden Gebäude der IHK statt. Renommierte Experten, darunter Prof. Dr. Michael Mönninger, Prof. Dr. Maren Harnack und Stefan Bürger, gaben spannende Einblicke zum Thema "Die Großwohnsiedlung als Zukunftsmodell?" - moderiert von Helmut Kleine-Kraneburg, unserem Vorstandssprecher. Herzlichen Dank an Ulrich Caspar, Präsident der IHK Frankfurt am Main.

In der Diskussion ging es nicht nur um Architektur und Städtebau, sondern auch um Lebensqualität und die Ursachen von Stigmatisierung. Wie bewerten die Bewohnerinnen und Bewohner diese Wohnform? Welche gesellschaftlichen Vorurteile gibt es und wie können negative Wahrnehmungen überwunden werden?

Erfolgreiche Umbau- und Sanierungsprojekte zeigen, dass Veränderungen zu mehr Akzeptanz und sozialer Durchmischung führen können. Dabei spielen ökonomische, ökologische und architektonische Vorteile von Großwohnsiedlungen eine entscheidende Rolle.

Die zentrale Frage bleibt: Sind Großwohnsiedlungen in Form von Sanierungs- oder Neubauprojekten eine zukunftsfähige Antwort auf die drängenden Probleme der Wohnungsnot? Diese Frage bedarf weiterhin intensiver Diskussion und Forschung, um die Zukunft des Wohnens nachhaltig zu gestalten.

Unser Metropolengespräch war ein voller Erfolg, wie die überwältigende Teilnehmerzahl und das rege Interesse zeigen. Die Podiumsdiskussion mit den Experten trug wesentlich dazu bei.Die positive Resonanz und das Interesse der Teilnehmenden unterstreichen die Relevanz des Themas "Die Großwohnsiedlung als Zukunftsmodell?" in einer Zeit, in der die Herausforderungen im Wohnungsbau immer drängender werden.

Wir danken allen Beteiligten, insbesondere Herrn Ulrich Caspar, Präsident der IHK Frankfurt am Main, für ihre Mitwirkung und Unterstützung.Diese erfolgreiche Veranstaltung bestärkt uns darin, auch weiterhin anspruchsvolle Themen aufzugreifen und wichtige Diskussionen in unserer Community zu fördern. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme an den nächsten Metropolengesprächen, die weiterhin zur Gestaltung der Zukunft beitragen werden.

Abschließend freuen wir uns darauf, auch im kommenden Jahr in Zusammenarbeit mit der IHK Frankfurt und der GWH Hessen weitere Veranstaltungen ins Leben zu rufen. Gemeinsam setzen wir auf informative Diskussionen und bedeutungsvolle Themen, um einen Beitrag zur Gestaltung der Zukunft zu leisten. Ihr Interesse und Engagement sind die Triebfedern für den Erfolg unserer Veranstaltungen, und wir sehen optimistisch einer weiteren inspirierenden Zusammenarbeit entgegen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

v.l.n.r. Prof. Dr. Michael Mönninger, Stefan Bürger, Prof. Dr. Maren Harnack und Prof. Helmut Kleine-Kraneburg. © GWH, Michael Rynkowski

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Wir weisen darauf hin, dass die Stiftungsarbeit des urban future forum e.V. ausschließlich durch Spenden finanziert wird. Als gemeinnütziger Verein sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen, um auch weiterhin interessante Veranstaltungen und Diskussionen zu ermöglichen.Ihr finanzieller Beitrag ermöglicht es dem urban future forum e.V., wichtige Projekte zu realisieren, innovative Ideen zu fördern und weiterhin eine Plattform für den Austausch über zukunftsweisende Stadtentwicklung zu bieten. Mit Ihrem Engagement tragen Sie aktiv dazu bei, unsere Städte lebenswert, nachhaltig und zukunftsorientiert zu gestalten.Wir möchten Sie ermutigen, Teil dieser wichtigen Initiative zu werden und gemeinsam mit uns einen Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfähigen urbanen Welt zu leisten. Ihre finanzielle Unterstützung macht einen entscheidenden Unterschied.

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Herausforderungen der nachhaltigen urbanen Transformation und ihrer Finanzierung

v.l.n.r. Jens Happ, Carlotta Ludig, Hendrik Kafsack, Gottfried Milde und Wolfgang Münch. ©Mélanie Wenger

Am 25. Oktober 2023 wurde die Stiftung gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Mosbrugger Generaldirektor em. Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, der einen Vortrag hielt, in die Vertretung des Landes Hessen in Brüssel bei der Europäischen Union eingeladen. Dort konnte Jens Jakob Happ, Stellvertretender Vorstandssprecher Stiftung Urban Future Forum e.V. gemeinsam mit Wolfgang Münch, Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung Europäische Kommission, Gottfried Milde, Sprecher des Vorstandes Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen, Carlotta Ludig, Direktorin & Gründerin Office for Micro Climate Cultivation (OMC) unter der Moderation von Hendrik Kafsack, Frankfurter Allgemeine Zeitung zum Thema Herausforderungen nachhaltiger urbaner Transformation und deren Finanzierung sprechen.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass der Verbrauch des irdischen Naturkapitals als Grundlage allen menschlichen Wirtschaftens mit dem Anbruch der Industrialisierung auf der einen Seite zwar einen historisch unerreichten Wohlstand nach sich zog, auf der anderen Seite Folgen zeitigte, die sich gegenwärtig zu einem Bedrohungsszenario für die gesamte Menschheit verdichten. Die Lösung dieses Problems kann nur eine Systemlösung sein, die eine Balance zwischen Natur, Wirtschaft und Gesellschaft herstellt. Das drei Säulen Modell der Nachhaltigkeit verfolgt das Ziel, Strukturen, Prozesse, sozial-ökologische Systeme so zu gestalten, dass sie bezogen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Umwelt zukunftsfähig sind, also (möglichst) kein gesellschaftliches, wirtschaftliches und Naturkapital zerstören („starke Nachhaltigkeit“).

Die Herausforderungen für Europäische Städte wie Frankfurt sind enorm, dabei tragen sie maßgeblich zum Klimawandel bei. Die EU-Kommission stellt immer mehr EU-Projekte und Fördermittel zur Bewältigung des Klimawandels bereit. Bemühungen zur Dekarbonisierung in den Bereichen Energie, Verkehr, Gebäude und Industrie spielen hierbei eine immer größere Rolle. Bislang gibt es vielversprechende Ansätze klimaneutrale Städte in Europa und Deutschland zu realisieren, aber diese Projekte müssen finanziert und architektonisch umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Finanzierung der urbanen Transformation in grünen Städten auch künftig gesichert und umgesetzt werden kann.

Blick ins Publikum. ©Mélanie Wenger

Die Stiftung urban future forum e.V., Frankfurt am Main, widmet sich seit Ihrer Gründung 2005 der Frage, wie die Transformation der Europäischen Stadt als ein jahrhundertelang gewachsenes und äußerst erfolgreiches Modell städtischen Zusammenlebens, im Hinblick auf die großen Herausforderungen unserer Zeit gelingen kann. Die von der Stiftung 2022 initiierte fünfteilige Reihe „Für eine nachhaltige Architektur der Stadt“ will den Blick auf den aktuellen Einfluss anderer Wissensgebiete auf die Architektur und die Entwicklung der europäischen Stadt lenken. Entscheidende Impulse bei der Konzeption der Reihe kamen vom renommierten Paläontologen Prof. Dr. Volker Mosbrugger. Sein Impulsvortrag führte in die Diskussion ein. „Der Begriff Nachhaltigkeit wird – fälschlicherweise - oft im Sinne von ‚umweltfreundlich‘ verstanden. Tatsächlich ist die Sache viel komplexer. So ist eine ‚systemische Nachhaltigkeit‘ nur gegeben, wenn Human-Kapital, Wirtschaftskapital und das Naturkapital konstant bleiben oder sogar wachsen. Die ‚ökologische Nachhaltigkeit‘ eines Prozesses oder einer Struktur ist dagegen nur gegeben, wenn kein Naturkapital verbraucht wird.“

Die lebhafte Diskussion lenkte den Blick einerseits auf konkrete Umsetzungsprojekte und anderseits auf die Initiative der Europäischen Kommission zur strategischen Neuausrichtung mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Dabei spielt der Bausektor eine entscheidende Rolle: Jens Jakob Happ konstatiert: „Das Bauen ist nicht mehr auf lange Dauer angelegt, Häuser sind zum Wegwerfartikel verkommen. Wenn wir den Verbrauch von Rohstoffen, Land und Energie drastisch reduzieren wollen, muss die Pflege, die Reparaturfähigkeit und der Erhalt der gebauten Substanz neu bewertet werden. Entscheidend trägt dazu auch die gesellschaftliche Akzeptanz des Gebauten bei, ein schön gestaltetes Haus lebt länger.“

©Mélanie Wenger

 

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Zu Gast: Uwe Becker

Ahoi liebe Lesende,

Am sonnigen Morgen des 10. Oktober starteten wir voller Vorfreude am Eisernen Steg in Frankfurt zu einer Fahrt auf dem Main mit dem Schiff "Wikinger". Doch dieser Ausflug sollte mehr als nur eine gemütliche Schifffahrt werden. Anlass war der Besuch des Staatssekretärs für Europaangelegenheiten, Uwe Becker, der einen Vortrag zum hochaktuellen Thema "Die EU auf dem Weg zur strategischen Souveränität" halten sollte.

Schon beim Betreten des Schiffes war die Vorfreude zu spüren. Die Passagiere waren gut gelaunt und die Crew der Primus Linie sorgte für einen reibungslosen Ablauf. Auch die Kulisse des Mains mit seinem malerischen Ufer trug zu einer entspannten und einladenden Atmosphäre bei.

Während des Frühstücks der Gäste hielt Staatssekretär Uwe Becker seinen Vortrag. Mit großer Sachkenntnis und Leidenschaft sprach er über die Herausforderungen und Chancen, vor denen die Europäische Union auf dem Weg zur strategischen Souveränität steht. Auch tagesaktuelle Themen waren Gegenstand seines Vortrags. Seine klaren Analysen und Zukunftsperspektiven fesselten die ZuhörerInnen und die anschließenden Fragen zeigten, wie wichtig dieses Thema für uns alle ist.

Wir möchten uns bei Herrn Uwe Becker ganz herzlich für seine Zeit und sein Engagement bedanken. Sein Besuch und sein Vortrag haben unsere Mainfahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht. Unser Dank gilt auch der Primus Linie für die hervorragende Organisation und dem gesamten Team, das diese Veranstaltung möglich gemacht hat. Es war eine wunderbare Gelegenheit, die EU und Europa aus einer neuen Perspektive zu betrachten und gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir die Zukunft gestalten können.

 

v.l.n.r.: Jamal Daoud, Joachim Gres, Jens Jakob Happ, Uwe Becker, Marie Nauheimer, Helmut Kleine-Kraneburg 

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Die nachhaltige Stadt braucht Permanenz

Helmut Kleine-Kraneburg spricht zum Publikum

Der Titel des fünften und letzten Symposiums lässt sich als Forderung und Feststellung gleichermaßen verstehen. Oder, wie Helmut Kleine-Kraneburg in seiner Begrüßung formuliert, als „Essenz der Veranstaltungsreihe“, die über eine kritische Bilanz der Nachkriegsmoderne und den Umgang mit Bestand bis hin zu den stofflichen und ökonomisch-politischen Bedingungen von Architektur und Städtebau nun dort angekommen ist, wo es um die Machbarkeit einer nachhaltigen Bauwende geht. Und um konkrete Antworten auf die Frage, wie die Stadt, sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis von Arbeit, Kultur, Bildung, sozialem Leben und individueller Zugehörigkeit, dauerhaft bestehen kann. Für Kleine-Kraneburg ist es mehr als nur eine radikale Abkehr vom ökologisch verheerenden, Ressourcen verschleißenden Neubau; die nötigen Transformationsprozesse erfordern aus seiner Sicht ein ganz anderes Selbstverständnis der Planungsdisziplinen. Dafür zitiert er den Publizisten und Herausgeber der Zeitschrift „Daidalos“, Gerrit Confurius aus dem Geleitwort zum Neustart von ‚Daidalos‘ „Permanenz als Prinzip“: „Einer der zentralen Konflikte entsteht aus dem Widerspruch zwischen der allgegenwärtigen Steigerungslogik kapitalistischen Wirtschaftens und der Endlichkeit der Ressource Raum. Die Klimakrise mit ihren vielfältigen Folgen wie Lebensmittelknappheit, Wasserknappheit, Kriege um Ressourcen, Migration oder das Steigen des Meeresspiegels polarisiert Gesellschaften und bringt Regierungen in Not. In dem Masse, wie die destruktiven Effekte des postmodernen Kapitalismus unübersehbar werden, muss es sich auch die Praxis des Entwerfens und Bauens gefallen lassen, in verschärfte Begründungsansprüche verwickelt zu werden. Nachhaltigkeit bildet auch hier das Schlüsselwort. Möglich, dass der Architektur in Zukunft nicht nur wieder eine größere ökologische und sozialpolitische Bedeutung zukommt, sondern sie auch eine weltanschauliche sowie eine wissenspolitische und wahrnehmungsschulende Rolle einnehmen muss. Als langlebigster Gebrauchsgegenstand ist Architektur essenzieller Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses einer Gesellschaft und avanciert dadurch zum bedeutenden Träger ihrer Geschichte und Identität.“

Doch was bedeutet diese weithin geteilte Erkenntnis für die architektonische Praxis? Welche Handlungsanweisungen lassen sich daraus für Planung, Politik und Wissenschaft ableiten?

Zurück zur Architektur: Das Einfache Bauen als Haltung und Praxis

Dass der Berufsstand eigentlich längst über die Mittel und Kompetenzen verfügt, die beschworene Bauwende im Sinne der Nachhaltigkeit tatsächlich auf den Weg zu bringen, hat der Architekt Florian Nagler aus München bewiesen. In seinem Vortrag vollzieht er nicht nur den eigenen Sinneswandel nach, sondern räumt auch mit jenem Moderne-typischen und auch der Klimaschutzdebatte zugrundeliegenden Glauben auf, dass Nachhaltigkeit im Bausektor vor allem eine Frage des technologischen Fortschritts sei.

Doch der Reihe nach. Florian Nagler, gelernter Zimmermann, Architekt und Hochschullehrer an der TU München, ist innerhalb der deutschen Architektenschaft der wohl bekannteste Vertreter des sogenannten „Einfachen Bauens“, das anstelle technisch hochgerüsteter Gebäude und entsprechend komplexer Bauprozesse auf eine Architektur der Suffizienz und Dauerhaftigkeit setzt. Der Ansatz sieht neben einfachen und robusten Konstruktionen mit auf das Notwendige reduzierten Haustechnik auch eine größtmögliche Wiederverwertbarkeit aller verwendeten Materialien und Baustoffe vor, die ebenfalls langlebig und nolens volens qualitativ hochwertig sind – womit den Häusern auch eine eigenständige gestalterische Güte zuwächst.

Die, wenn man so will, Genese dieser Entwurfshaltung hat mit einem ökologisch ehrgeizigen Projekt in der Nähe von Augsburg zu tun, wo Nagler zusammen mit dem Büro HK Architekten einen Schulneubau in Holzbauweise als Plusenergie-Haus plante und realisierte - das Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf. Das 2015 fertiggestellte Gebäude wurde für seine vorbildliche Verbindung von Nachhaltigkeit und architektonischer Qualität mit zahlreichen Branchenauszeichnungen geehrt, darunter der Deutschen Architekturpreis und der Holzbaupreis, und als wegweisendes Beispiel für klimaschonendes Bauen im großen Maßstab gefeiert. Trotzdem – oder genau deshalb? – war es genau dieses Projekt, das Florian Nagler die Augen öffnete für die Absurdität eines Nachhaltigkeitsverständnisses, das sich vor allem auf störanfällige, relativ kurzlebige Energiespartechnologien und komplexe gebäudetechnische Anlagen verlässt.

Darstellung der Lüftungsanlage, © Florian Nagler

Allein die Darstellung der Lüftungsanlage für die vier großen Baukörper des Schulgebäudes zeigt den, wie er sagt, „gigantischen Einsatz von Technik“, der für einen Plusenergie-Standard nötig ist, ganz zu schweigen von den räumlichen Anforderungen für solche Anlagen. „Allein die Lüftungszentrale ist so groß wie die Aula der Schule“, erklärt Nagler. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass es nach Inbetriebnahme – trotz fachlichen Monitorings! – geschlagene drei Jahre dauerte, bis die Haustechnik funktionierte. „Wenn auch nur ein kleiner Sensor defekt ist, wird es kompliziert“, weiß der Architekt. Fällt der Hausmeister aus, passiere es schon mal, dass die Anlage im Sommer heize und im Winter kühle. Denn die Komplexität dieser Technik überfordert alle: die Nutzer, aber auch die Planer und Fachhandwerker. Ähnlich überzüchtet geraten selbst die als nachhaltig deklarierten Baukonstruktionen für solche Projekte. Aufgrund der überbordenden Vorschriften und Standards wird dann auch im Holzbau aus einer einfachen Wand ein komplizierter Materialverbund, bestehend aus insgesamt elf unterschiedlichen Stoffschichten mit jeweils spezifischer Fehleranfälligkeit. „Das ist der falsche Weg“, so Naglers Schlussfolgerung. Eine europaweite Studie des Royal Institute of British Architects (RIBA) gibt ihm recht. In der Erhebung „Better Spaces for Learning“ stellen die Forscher fest, dass 95 Prozent der untersuchten Schulgebäude in verschiedenen europäischen Ländern hinter den mit ihrer Architektur verbundenen Erwartungen in Sachen Nachhaltigkeit zurückbleiben. Zwischen dem ehrgeizigen Design dieser Gebäude und ihrem tatsächlichen Betrieb klafft ein eklatanter Performance Gap. Auch ein großangelegter Versuch der Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG in München, bei dem die Energiesparbilanzen von sechs identischen, mit jeweils unterschiedlichen Energieeffizienztechnologien ausgestatteten Wohnhäusern verglichen wurden, lässt Nagler zusehends an den konventionellen, politisch forcierten Klimaschutz-Strategien im Bausektor zweifeln. Denn die kostspieligen, technisch aufwendigen Anlagen zeitigen im realen Betrieb nur marginale Effekte. Ähnlich enttäuschend auch die Siedlung Klee in Zürich-Affoltern, bei der von den insgesamt 340 Wohneinheiten eine Hälfte mit Fensterlüftung und konventioneller Abluft, die andere mit Wärmerückgewinnung und zentraler Lüftungsanlage ausgestattet wurde. Zwar konnten bei Letzterer 1,8 Prozent Heizungsenergie eingespart werden, doch der Betrieb der heizenergiesparenden Anlage schlug mit einem um 63 Prozent erhöhten Strombedarf zu Buche. „Im normalen Wohnungsbau ist eine zentrale Lüftung sinnlos“, so die Erkenntnis des Architekten.

Vergleicht man die unterschiedlichen Energieeffizienzklassen im Gebäudesektor, zeigt sich, dass die prognostizierten Einspareffekte deutlich hinter den realen Zahlen zurückbleiben. „Die höheren Energieklassen werden politisch schön gerechnet, während sich die niedrigen Energieklassen im praktischen Verbrauch als wesentlich sparsamer erweisen“, resümiert Nagler. Diese Erkenntnis, angereichert um die Erfahrungen aus dem preisgekrönten Schulbauprojekt in Diedorf, gipfelt für ihn in einer klaren Haltung: „Ich möchte solche Häuser nicht mehr bauen.“

 

© Florian Nagler

Doch welche Häuser soll man bauen? Florian Nagler will dieser Frage wissenschaftlich auf den Grund gehen. Mit Unterstützung eines privaten Bauherrn aus Bad Aibling, der Grundstück, Planungs- und Baukosten finanziert, wagt er das Risiko. Sein Ansatz: radikal einfach. Seine Idee: drei monolithische Mehrgeschosswohngebäude, die auf das Wesentliche reduziert sind und ohne zusätzliche Technik funktionieren. So entstehen drei Häuser; eins mit einer einschaligen, 30 Zentimeter dicken Holzwand, eines aus 50 Zentimeter dickem Dämmbeton und eines aus 42 Zentimeter dicken Ziegeln. Die Ein- bis Dreizimmer-Wohnungen mit jeweils einfachen, nutzungsneutralen Grundrissen sind so optimiert, dass sie im Sommer lange kühl bleiben und im Winter wenig Heizenergie verbrauchen. Mithilfe von Simulationen werden alle dafür nötigen Parameter ermittelt, die – so viel sei vorweg genommen – am Ende dem bewährten Altbaustandard entsprechen: 3,30 Meter hoch, 3 Meter breit und 6 Meter tief, mit schlichten Fensterformaten, darunter auch Rundbogenfenster und einer, wie der Entwerfer selbst sagt, spröden Anmutung. Der Rest ist, wenn man so will, neueste Architekturgeschichte (mehr dazu unter www.einfach-bauen.net)

© Florian Nagler

Die Forschungshäuser werden zum prominentesten und inspirierendsten Echtzeit-Experiment in Nachhaltigem Bauen in Deutschland. In insgesamt drei Phasen – von der Simulation, der Optimierung und dem Vergleich in Phase 1 über das Planen, Bauen und Messen in Phase 2 bis hin zu Auswertung, Validation und Rückkopplung in Phase 3 – kann Nagler die Vor- und Nachteile der verschiedenen Materialien sowie ihre Qualitäten in Bezug auf unterschiedliche Nachhaltigkeitsstandards ermitteln und seine Ergebnisse mit den Werten der technisch komplexen und aus unterschiedlichen Bauteilschichten bestehenden Gebäude vergleichen. Das Ergebnis fällt eindeutig aus. Die monolithische Konstruktion ist der konventionell-technologischen, bauindustriell getriebenen Nachhaltigkeitspraxis überlegen und bietet mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft außerdem die Möglichkeit einer sortenreinen Trennung der verwendeten Baustoffe, die am Ende der Lebenszeit des Bauwerks zu einem großen Teil problemlos wiederverwendet werden können.

 Die Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt sind für Florian Nagler Anlass für eine Neuorientierung seiner Arbeit als Architekt. Sein Büro folgt fortan den gewonnenen Erkenntnissen und setzt bei allen Projekten auf die Prinzipien des „Einfachen Bauens“. Was sich bei Gebäudeklasse 3 bewährt hat, will er nun auch für höhere Gebäudeklassen und Sonderbauten umsetzen. Doch der Plan, für einen Neubau der TU München einen wettbewerbsprämierten Holz-Lehm-Hybridbau zu realisieren, scheitert an den Zweifeln und Ängsten des Auftraggebers. Vor einer für die Umsetzung nötigen „Zustimmung im Einzelfall“ schreckt der Bauherr zurück, sondern setzt auf die Vorgaben, Richtlinien und Standards des konventionellen Bauens. Das Projekt wird nicht nach Naglers Entwurf errichtet.

Permanenz und Umbau

Um die Beständigkeit geht es ihm freilich nicht nur im Neubau, sondern auch bei Umbauprojekten. Als sein Büro nach erfolgreicher Wettbewerbsteilnahme für die Reparatur und Sanierung der von einem Dachstuhlbrand beschädigten Kirche St. Martha in Nürnberg beauftragt wird, folgt Nagler einem schlichten Vorsatz: „Was vorhanden ist, bleibt erhalten, was neu gebaut werden muss, darf auch neu gedacht werden“. Dass große Teile des Vorhandenen – und leider auch des durch den Brand zerstörten Bestands – mehr als 600 Jahre alt sind, wird für ihn zum Maßstab des eigenen Entwurfs. Mit Holz, Lehm und Naturstein ergänzt er die überlieferte Physis der Kirche, schafft im Bereich der neuen Deckenkonstruktion eine Verbesserung und sorgt mit dem Rückgriff auf tradiertes Handwerk dafür, dass die architektonischen Eingriffe des 21. Jahrhunderts dem Bestand gerecht werden – auch mit Blick auf dessen Dauerhaftigkeit: „Ich wollte auch mal was bauen, das 600 Jahre hält“

„Sie haben jetzt einen Rekord gebrochen“, eröffnet Moderator Jens Jakob Happ den anschließenden Podiumsdialog mit Florian Nagler und Maren Harnack. „600 Jahre Lebensdauer! Das hat hier noch keiner gebracht. Hans Kollhoff hat immerhin 150 Jahre gefordert, der normale Standard liegt bei 50 Jahre.“ Sind solche Zeitspannen für das Bauen der Gegenwart überhaupt realistisch? Maren Harnack, Professorin für Städtebau an der University of Applied Sciences in Frankfurt und Expertin für den Massenwohnungsbau der 1960er- und 1970er-Jahre, setzt für ihre Antwort nicht beim einzelnen Gebäude an, sondern bezieht sich auf die Beständigkeit der Stadt als solcher. „Stadt an sich ist unglaublich permanent“, so die Wissenschaftlerin. Das gelte auch für die geschmähten Großsiedlungen der Moderne, die viele vielleicht hässlich fänden, was aber keine Rechtfertigung für ihren Abriss sei. Sie seien schließlich das Zuhause vieler Menschen. Dass es inzwischen nicht mehr um ästhetische Kategorien geht, sondern darum, das Bestehende – auch in seiner mutmaßlichen Hässlichkeit – zu erhalten und weiterzuentwickeln, bestätigt auch Florian Nagler. „Wir haben uns mit den Dingen zu beschäftigen, die da sind, und ihnen etwas abzugewinnen.“

Und vielleicht geht es als Aufgabe der Architektur ja auch weniger um ein Schön als vielmehr um ein Gut – im Sinne der Funktionalität, der Dauerhaftigkeit? Dem guten Bauen steht vieles im Wege, vor allem die von Florian Nagler erwähnten 3.600 geltenden Vorschriften, die das im wohlverstandenen Sinne einfache Bauen schlichtweg vereiteln. „Wenn wir planen, verbringen wir 80 Prozent der Zeit damit, zu prüfen, ob wir alle Vorschriften einhalten und wie wir mit Vorschriften umgehen, die sich widersprechen“, so der Architekt. „Dass wir Details nicht ausgehend von den jeweiligen Anforderungen eines Projekts entwickeln, sondern nach geltenden Vorschriften, ist doch völlig absurd.“ Er plädiert dafür, den in der Landesbauordnung Bayerns bereits zugelassenen Gebäudetyp E (E wie experimentell und einfach) zur Grundlage allen Planens zu machen, denn allein der Verzicht auf die Vorschriften sonder Zahl könne, so seine Überzeugung, ein enormes Kreativpotenzial innerhalb der Architektenschaft mobilisieren.

Unter Verweis auf die nach Rechtssicherheit strebenden Bauherren dämpft Maren Harnack diesen Optimismus. Sie macht geltend, dass der Gebäudetyp E auch eine Auftraggeberseite erfordere, die sich auf Experimente respektive Abweichungen vom Standard einzulassen bereit sei. Für Nagler zählt indes die Überzeugungskraft des Gebauten: „Die gesamte deutsche Wohnungswirtschaft kam nach Bad Aibling, um sich die Forschungshäuser anzuschauen.“ Wer sich aus eigener Anschauung, aber auch aufgrund der guten Erfahrungen von Bewohnern von den Qualitäten solcher Ansätze überzeuge, wird eher bereit sein, sich auf ein ähnliches Projekt einzulassen, so sein Credo. Dass insbesondere das Einfache Bauen auch aus wirtschaftlicher Hinsicht konkurrenzfähig und nicht selten günstiger ist als konventionelle Bauen, tut ein Übriges.

Jens Jakob Happ stellt zu Recht die Frage, ob und wie solche Projekte auch stadtdienlich sein können: „Wie können wir das einfache Bauen im städtischen Kontext denken?“ Kann dieser Ansatz dem Maßstab Stadt gerecht werden, auch mit Blick auf die gestalterische Vielfalt und die ästhetische Anverwandlungsfähigkeit der Gebäude?

Daran hat Florian Nagler keinen Zweifel. „Wir haben in Bad Aibling ja im Prinzip nur das gebaut, was hinter den Gründerzeitfassaden steckt.“ Mit der konstruktiven Reduktion ist keine Festlegung der Gestaltung, über das Ja oder Nein von Ornament oder Fassadenschmuck getroffen. Limitierungen bestehen lediglich bei der möglichen Höhe der Gebäude, zumindest bei der Bauweise der in Bad Aibling errichteten Wohnhäuser. Das Einfache Bauen bleibt in dieser geweiteten Perspektive kein genuin architektonisches Betätigungsfeld, sondern wird zur Option eines nachhaltigen Städtebaus. Und genau darum geht es.

Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet, so dass Interessierte die Möglichkeit haben, sich den Videomitschnitt online anzuschauen.

v.l.n.r.: Prof. Florian Nagler, Prof. Dr.-Ing. MSc Maren Harnack, Jens Jakob Happ

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Wir weisen darauf hin, dass die Stiftungsarbeit des urban future forum e.V. ausschließlich durch Spenden finanziert wird. Als gemeinnütziger Verein sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen, um auch weiterhin interessante Veranstaltungen und Diskussionen zu ermöglichen.
Ihr finanzieller Beitrag ermöglicht es dem urban future forum e.V., wichtige Projekte zu realisieren, innovative Ideen zu fördern und weiterhin eine Plattform für den Austausch über zukunftsweisende Stadtentwicklung zu bieten. Mit Ihrem Engagement tragen Sie aktiv dazu bei, unsere Städte lebenswert, nachhaltig und zukunftsorientiert zu gestalten.
Wir möchten Sie ermutigen, Teil dieser wichtigen Initiative zu werden und gemeinsam mit uns einen Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfähigen urbanen Welt zu leisten. Ihre finanzielle Unterstützung macht einen entscheidenden Unterschied.

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Nachhaltigkeit und Denkmalschutz im Städtebau - Überlegungen eines Naturforschers"

Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Mosbrugger

Am 24. September 2023 fand in der beeindruckenden Rotunde des Barockschlosses Biebrich auf Einladung und in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege eine Matinee mit Vortrag und anschließender Diskussion statt, die spannende Einblicke in das komplexe Verhältnis von Denkmalpflege und Nachhaltigkeit bot. Dabei wurde das traditionelle Wissen der Denkmalpflege um reparaturfreundliche und langlebige Bautechniken und Materialien gewürdigt.

Nach einer Begrüßung durch den Gastgeber, den Präsidenten des Landesamts für Denkmalpflege, Prof. Dr. Markus Harzenetter führte unser Vorstandsmitglied, der Architekt und Stadtplaner Jens Jakob Happ, kurz in die Arbeit der Stiftung ein. Seit Ihrer Gründung im Jahr 2005 widmet sich das urban future forum e.V. der Frage, wie die Transformation der Europäischen Stadt als ein jahrhundertelang gewachsenes und äußerst erfolgreiches Modell städtischen Zusammenlebens, im Hinblick auf die großen Herausforderungen unserer Zeit gelingen kann. Die von der Stiftung 2022 initiierte fünfteilige Reihe „Für eine nachhaltige Architektur der Stadt“ lenkt aktuell den Blick auf den Einfluss anderer Wissensgebiete auf die Architektur und die Entwicklung der europäischen Stadt. Markus Harzenetter nahm dies erfreulicherweise zum Anlass, mit der Stiftung Kontakt aufzunehmen. In anschließenden Gesprächen wurde auch der Gedanke gemeinsamer Veranstaltungen geboren und hier erstmalig umgesetzt.

Entscheidende Impulse bei der Konzeption dieser Reihe, die am 05.10.2023 im Deutschen Architekturmuseum abgeschlossen wird, kamen vom renommierten Paläontologen und Naturforscher Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Mosbrugger. Mit seinem Vortrag zur Matinee "Nachhaltigkeit und Denkmalschutz im Städtebau - Überlegungen eines Naturforschers" knüpfte Volker Mosbrugger daran. Sein Blick auf globale Zusammenhänge eröffnete eine in dieser Schärfe ungewohnte Sicht auf die Wechselwirkung von Bevölkerungswachstum, allgemeinem Wohlstand und Umweltzerstörung: „Der Menschheit ging es nie besser als heute, aber der Natur nie schlechter!“, so seine Warnung. Seit den letzten fünf Jahren fällt nach Jahrzehnten des steilen Anstiegs erstmals der Human Development Index kontinuierlich. Eine Entwicklungskurve, die etwa ab dem Jahr 2018 ihren Kipppunkt erreicht hat und die Ausdruck davon ist, dass der Verbrauch des irdischen Naturkapitals als Grundlage allen menschlichen Wirtschaftens mit dem Anbruch der Industrialisierung auf der einen Seite zwar einen historisch unerreichten Wohlstand nach sich zog, die auf der anderen Seite Folgen zeitigt, die sich gegenwärtig zu einem Bedrohungsszenario für die gesamte Menschheit verdichten. Die Lösung dieses Problems, so Mosbrugger, kann nur eine Systemlösung sein, die eine Balance zwischen Natur, Wirtschaft und Gesellschaft herstellt. Er verweist auf das das drei Säulen Modell der Nachhaltigkeit, dessen Ziel es ist, Strukturen, Prozesse, sozial-ökologische Systeme so zu gestalten, dass sie bezogen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Umwelt zukunftsfähig sind, also (möglichst) kein gesellschaftliches, wirtschaftliches und Naturkapital zerstören („starke Nachhaltigkeit“).

Denkmalpflege im Speziellen hat immer die Aufgabe, Kulturdenkmäler zu erhalten und wird oft geradezu als Synonym für Nachhaltigkeit gesehen. Denn durch regelmäßige Pflege, behutsame Umbau- und Umnutzungskonzepte können Gebäude über lange Zeiträume erhalten werden. Sie ist deshalb Teil einer Strategie Nachhaltigen Bauens, und insbesondere im Bereich des städtebaulichen Denkmalschutzes von hoher Relevanz. Doch die Beziehung zwischen Denkmalschutz und Nachhaltigkeit ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Es reicht nicht aus, den Blick auf die ökologische Nachhaltigkeit zu verengen, neben der ökologischen Qualität muss die ökonomische und soziale Qualität gleichwertig betrachtet werden. Die ökologische Nachhaltigkeit wiederum muss dabei systemisch über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, von der Erstellung, über den Betrieb bis zur Entsorgung bewertet werden. Insgesamt gilt:

  • Die Nachhaltigkeitsbewertung erfordert eine Lebenszyklusanalyse der Dimensionen „People, Profit, Planet“
  • Die Nachhaltigkeitsbewertung erfordert eine gesellschaftlich-politische Bewertung des Ergebnisses
  • Bei der ökonomischen Bewertung müssen die „externen Kosten“ (Umweltschäden, Zerstörung von Naturkapital) berücksichtigt werden

Gerade die Berücksichtigung der externen Kosten führt zu einer anderen Preisstruktur. Untersuchungen zeigen z.B., dass bei Berücksichtigung der externen Kosten Rindfleisch in Abhängigkeit von der Umweltschädlichkeit des Herstellungsprozesses um einen Faktor bis zu 6fach teurer wäre. Dass die externen Kosten von Produkten und Gebäuden noch immer nicht erfasst und vom Verursacher bezahlt werden, z.B. durch eine CO2 Abgabe, die in etwa den Extraktionskosten von CO2 aus der Atmosphäre entspricht, ist angesichts des ansonsten allgemein akzeptierten Verursacherprinzips nicht nachvollziehbar, da Anreize zum nachhaltigen Wirtschaften damit nicht ausreichend genutzt werden. Anreize, die ohne fundamentale Eingriffe in den Markt sofortige Wirkung zeigen könnten.

In der anschließenden Diskussion stellten sich, moderiert von Jens Jakob Happ, Markus Harzenetter und Volker Mosbrugger den Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer. Interessante Aspekte waren dabei das zunehmende Interesse an einer ESG-konformen Wirtschaftsweise, gerade im Immobiliensektor, die große Herausforderung, qualifizierte und engagierte geeignete Mitarbeiter für die besonderen Aufgaben in der Denkmalpflege zu finden und schließlich das erschreckende Desinteresse oder auch der Mangel an Finanzmitteln kommunaler Träger zum Erhalt historischer Bausubstanz. Dennoch wurde insgesamt ein verändertes Bewusstwerden wahrgenommen. Die Erkenntnis der Endlichkeit natürlicher Ressourcen und die Notwendigkeit zur Vermeidung von immer mehr Müll zwingen zum Umdenken und zur stärkeren Berücksichtigung des gebauten Bestands, ob Denkmal oder nicht.

In den Pausen der Veranstaltung genossen die Gäste die wunderbare Klaviermusik von Thilo Wagner, die die Atmosphäre der Rotunde zusätzlich bereicherte. Ausklang bei Wein in der barocken Wandelhalle mit Blick auf den Rhein bei strahlendem spätsommerlichen Licht.

v.l.n.r.: Prof. Dr. Markus Harzenetter, Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Mosbrugger, Jens Jakob Happ
Thilo Wagner

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Ihr finanzieller Beitrag ermöglicht es dem urban future forum e.V., wichtige Projekte zu realisieren, innovative Ideen zu fördern und weiterhin eine Plattform für den Austausch über zukunftsweisende Stadtentwicklung zu bieten. Mit Ihrem Engagement tragen Sie aktiv dazu bei, unsere Städte lebenswert, nachhaltig und zukunftsorientiert zu gestalten.
Wir möchten Sie ermutigen, Teil dieser wichtigen Initiative zu werden und gemeinsam mit uns einen Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfähigen urbanen Welt zu leisten. Ihre finanzielle Unterstützung macht einen entscheidenden Unterschied.

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Zu Gast: Carsten Knop

Ahoi liebe Lesende,

am 18. Juli 2023 durfte die Stiftung Urban Future Forum e.V. gemeinsam mit ihren Mitgliedern und allen Gästen Herrn Carsten Knop, Journalist, Buchautor und Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, als Gastredner zum „Frühstück auf dem Main“ begrüßen. Mit leichter Verspätung legte das Passagierschiff "Wikinger" ab, so dass die zahlreichen Teilnehmenden an Bord gehen konnten. Bei bestem Wetter, strahlend blauem Himmel und milden Temperaturen ging die Fahrt auf dem Main in Richtung Westen.
Nach der Begrüßung durch den Vereinssprecher Helmut Kleine-Kraneburg hielt Herr Knop im Rahmen der Schifffahrt einen Vortrag zum Thema „Hat die Zeitung eine Zukunft“. Neben den sehr interessanten Worten von Herrn Knop konnten die Teilnehmenden den herrlichen Blick auf die Frankfurter Architektur vom Main aus genießen. Anschließend fand ein reger Austausch mit den Teilnehmenden statt. Wir empfanden diese Diskussionsrunde als wertvollen Beitrag zum Thema und konnten wichtige Eindrücke gewinnen. Pünktlich legte das Schiff wieder am Eisernen Steg an.

Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Carsten Knop und der Primus Linie und natürlich bei allen, die diese Veranstaltung ermöglicht haben.

 

(v. l. n. r.) Carsten Knop, Jens Jakob Happ (stellv. Vorstandssprecher), Gast

Herr Carsten Knop im Gespräch mit einem Gast, Foto: Jens Jakob Happ

(v. l. n. r.) Jens Jakob Happ, Gabriele Eick, Steven Jedlicki, Prof. Dr. Wolfgang Böhm, Carsten Knop, Prof. Helmut Kleine-Kraneburg, Joachim Gres, Foto: Marius Franz

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Stadtpolitisches Symposium „Die Zukunft der Theater-Doppelanlage“

Nach der Sommerpause werden die Frankfurter Stadtverordneten über die Zukunft der Städtischen Bühnen entscheiden. Doch über was genau wird dann abgestimmt? Den Abriss des bestehenden Gebäudekomplexes zugunsten von Neubauten für Oper und Schauspiel? Die Sanierung der in die Jahre gekommenen Doppel-Anlage? Eine Neuverortung des Spielbetriebs beider Häuser in der Stadt? Ein stadtpolitisches Symposium erweitert die Debatte um eine bislang unterbelichtete Perspektive: Nachhaltigkeit.

Eigentlich schien alles geklärt. Die sanierungsbedürfte Theater-Doppelanlage am Willy-Brandt-Platz sollte einem Beschluss der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung von Ende Januar 2020 zufolge komplett abgerissen werden. Das Argument: Auf Basis der in den vergangenen Jahren erstellten Gutachten, Berichte und Evaluationen ist der Rückbau des Gebäudekomplexes zugunsten eines Neubaus wirtschaftlich vernünftiger als Erhalt und Sanierung. Für die mit Preisen bedachte Oper Frankfurt wie auch für das Schauspiel würden neue Spielstätten entstehen; aktuell werden zwei Konzepte diskutiert. Zum einen die sogenannte „Spiegel-Lösung“, bei der die Oper am jetzigen Standort des Schauspiels eine neue Spielstätte erhält und das Schauspiel diagonal gegenüber in den Wallanlagen einen Neubau bezieht, zum anderen die „Kulturmeile“ mit einem neuen Schauspielhaus am Willy-Brandt-Platz und einem neuen Standort für die Oper an der Neuen Mainzer Straße.

Publikum, Foto: Moritz Bernoully

Doch wie Helmut Kleine-Kraneburg in seiner kurzen Begrüßung sehr treffend anmerkt, „hat sich die Erde mehr als drei Jahre nach der Entscheidung für einen Totalabriss gleich mehrfach gedreht“. Was er damit meint, bedarf keiner langen Erörterung. Nicht nur die längst spürbaren Folgen des Klimawandels, sondern auch ein geschärftes Bewusstsein für die ökologischen Kosten des Bauens sowohl in der Architektenschaft als auch in der Öffentlichkeit setzen jeden geplanten Abriss von Bestand mittlerweile unter enormen Rechtfertigungsdruck. Auch deshalb müssen bei der Entscheidung über ein so bedeutendes städtebauliches und architektonisches Vorhaben auch die Chancen des Ansatzes „Umbau vor Neubau“ bewertet werden. Es geht, anders formuliert, um eine dritte Variante der Neuordnung von Oper und Schauspiel in Frankfurt, nämlich Erhalt, Um- und Weiterbau des bestehenden Gebäudekomplexes.

Ökonomie ist nicht alles: Über viel Pro und wenig Contra einer Sanierung

Genau mit dieser Frage hat sich das ortsansässige Architekturbüro schneider + schumacher beschäftigt. Zusammen mit dem auf Bühnenbetriebe spezialisierten Büro Theatre Projects aus London, den Ingenieuren von Bollinger + Grohmann, den Nachhaltigkeitsexperten von LCEE sowie den TGA- und Brandschutzplanern von Arup – bildeten die Frankfurter Architektinnen und Architekten im Auftrag der Stabsstelle „Zukunft Städtische Bühnen“ ein Validierungsteam für die zur Entscheidung stehenden Planungsoptionen und stellten in ihrem Bericht nicht nur sich, sondern auch dem Auftraggeber die Frage: Wie kann eine Sanierung der Doppel-Anlage gelingen?

Theaterdoppelbauanlage, Quelle: Stadt Frankfurt

In ihrem Vortrag steckt Architektin Astrid Wuttke vom Büro schneider + schumacher, die den besagten Ergebnisbericht auch federführend betreut hat, die Möglichkeiten einer weitgehenden Erhaltung und Sanierung des Bestands ab.

Ausgehend von der Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2017 mit ihren drei Szenarien, vorgelegt vom Studio PFP Jörg Friedrich aus Hamburg, nimmt die Untersuchung das Potenzial des Bestands auch unter Berücksichtigung nicht-monetärer Faktoren in den Blick – eine Perspektive, die in der auf ökonomische Kennziffern verengten Diskussion eine bis dahin untergeordnete Rolle spielte.

Machbarkeitsstudie 2017, Quelle: Stadt Frankfurt

Machbarkeitsstudie 2017, Quelle: Stadt Frankfurt

Doch nicht nur wegen des zwischenzeitlich verfügten Denkmalschutzes für Teile des Bestandsgebäudes, sondern auch dank konzeptioneller Änderungen wächst dem Ergebnisbericht nun die Rolle einer ernst zu nehmenden Alternative zu den bislang diskutierten Varianten zu.

 

Bewertungsmatrix, Quelle: Wuttke, schneider+schumacher Weiterbauen GmbH

Warum diese im Ergebnisbericht ausgearbeitete Variante bei der Entscheidung über den Totalabriss respektive Neubau nicht berücksichtigt wurde, hat Astrid Wuttke zufolge nicht nur mit dem zeitlichen Versatz zwischen dem Neubaubeschluss vom 30. Januar 2020 und der Veröffentlichung des schon am 23. Januar 2023, also vor dem Stadtverordnetenbeschluss, der Stabsstelle übergebenen Berichts des Validierungsteams am 20. August 2020 zu tun. Die von den politisch Zuständigen nachgereichte Begründung beziehe sich, so Wuttke, auf eine angeblich nicht korrekte Berücksichtigung der Sanierungsbefunde des Planungsteams der Machbarkeitsstudie, unterschlage jedoch gleichzeitig den seit 2017 bestehenden Denkmalschutz für das sogenannte „Wolkenfoyer“ des Bestandsgebäudes.

Astrid Wuttke, Geschäftsführende Gesellschafterin schneider + schumacher Weiterbauen GmbH, Foto: Moritz Bernoully

Gleichwohl zeigen die Befunde aus den Untersuchungen für den Validierungsbericht, dass Sanierung und Umbau des bestehenden Bauwerks vor allem im Hinblick auf Nachhaltigkeit eine diskussionswürdige Alternative sind. Architektin Wuttke stellt der für die Machbarkeitsstudie verbindlichen Bewertungsmatrix der Stadt Frankfurt – 70 Prozent Ökonomie, 25 Prozent sozial-funktionale Qualitäten, 5 Prozent Ökologie – das Drei-Säulen-Modell nachhaltigen Bauens gegenüber, bei dem Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Soziales als drei gleichrangige Kriterien eines Bauwerks in ein Verhältnis gebracht werden müssen.

Sie plädiert deshalb für eine Revision der Abriss- und Neubaupläne und eine Neubetrachtung der Erkenntnisse aus dem Validierungsgutachten, das in Gestalt der Basisvariante 4a sowohl eine nachhaltige als auch technisch und wirtschaftlich realisierbare Lösung der Bauaufgabe vorschlägt.

Auswertung der nachhaltigsorientierten Standortprüfung, Quelle: Initiative Zukunft Bühnen Frankfurt

Modellfall Bestandserhalt

Welche städtebaulichen und architektonischen Potenziale der Bestandsbau für Sanierung und Weiterbau birgt, war schon 2017 Gegenstand der Master-Arbeit von Sophie Hoyer an der TU Stuttgart. Die inzwischen in der Schweiz arbeitende Architektin ist eigens für das Symposium angereist, um ihren Entwurf für eine Neufassung des Gebäudeensembles als eine von möglichen Ansätzen für den Weiterbau der Doppelanlange vorzustellen. Ihrer Arbeit liegt eine analytische Beschäftigung mit dem Ist-Zustand zugrunde, in dem sich mehrere Zeitschichten überlagern und bis heute auch Teile des 1902 errichteten Ursprungsbauwerks für das Schauspiel Frankfurt erhalten sind. Ein großer Verdienst des Entwurfs von Sophie Hoyer ist die elegante Verknüpfung des Komplexes mit seiner Umgebung, die ihr über eine Neuordnung der Eingangssituation und des Foyerbereichs sowie die Öffnung der Westfassade in Form einer Außenbühne vor einer überzeugend gelingt. Eine großzügige Passage durch das Gebäude – die „Promenade théâtrale“ – schreibt die dazugewonnene Offenheit gewissermaßen ins Innere fort und schafft einen Raum, in dem sich die Abläufe und Routinen eines Bühnenbetriebs mit den Wegen der Stadtöffentlichkeit kreuzen dürfen.

Visualiersung Außenfassade, Quelle: Sophie Hoyer

„Wir können schon ganz schön viel“: Die Diskussion 

Das Podium, (v. l. n. r.) Jens Jakob Happ, stellvertretender Vorstandssprecher, Astrid Wuttke, Julia Frank, Andrea Jürges, Olaf Winter, Dr. Albrecht Kochsiek, Professor Helmut Kleine-Kraneburg, Vorstandssprecher, Foto: Moritz Bernoully

Auch wenn die Befunde der Validierung ebenso wie der Entwurf von Sophie Hoyer genug Stoff für eine anregende Diskussion geboten hätten, geht es auf dem Podium zunächst um die politischen Dimensionen des Abriss-Entscheids. Neben der Architektin Astrid Wuttke begrüßen die Moderatoren Jens Jakob Happ und Helmut Kleine-Kraneburg die planungs- und bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Julia Frank, die stellvertretende DAM-Direktorin Andrea Jürges, den technischen Direktor der Oper Frankfurt, Olaf Winter sowie Dr. Albrecht Kochsiek, den planungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung in der Runde. Und so viel sei vorweggenommen: Es wird eine mitunter hitzige Debatte, die nicht zuletzt aufzeigt, wieviel Rede- und Aufklärungsbedarf vor der anstehenden Entscheidung über das künftige Wie und Wo von Schauspiel und Oper noch herrscht.

Olaf Winter, Technischer Direktor Oper Frankfurt, Foto: Moritz Bernoully

Für erste Aufregung sorgt Helmut Kleine-Kraneburg mit seinem dezent formulierten Zweifel an der Neutralität der Untersuchungen und Berichte, auf deren Grundlage die politisch Verantwortlichen für Abriss und Neubau votierten. Er fragt: „Wenn diese Gutachten wirklich wertungsfrei waren – wie kommt dann ein Abriss-Beschluss zustande?“

Andrea Jürges, zugleich als Mitglied der Stabsstelle „Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt“ gewissermaßen verantwortlich für die entscheidungsrelevanten Berichte und Gutachten, weist den leisen Verdacht einer Parteinahme für einen Neubau von sich. Sie betont, dass den Stadtverordneten die Befunde des eingangs vorgestellten Validierungsberichts – und damit die Möglichkeit einer Sanierung – durchaus bekannt waren und die Entscheidung trotzdem zugunsten eines Rückbaus der Doppelanlage ausfiel. Für Jürges lautet die Gewissensfrage weniger „Umbau oder Neubau“, sondern vielmehr: „Welche Spielstätten sind zukunftsfähig und nachhaltig?“

(v. l. n. r.) Andrea Jürges, Dipl.-Ing. Architektin, Vize-Direktorin DAM und Mitglied der Stabsstelle „Zukunft der Städtischen Bühnen“, Olaf Winter, Foto: Moritz Bernoully

Aus der Sicht von Olaf Winter, dem technischen Direktor der Oper Frankfurt, wäre ein Neubau die bessere Option, auch wenn er anerkennt, dass eine Sanierung im Bestand möglich sei. Doch sentimental wird er beim Gedanken an den möglichen Verlust des Gebäudekomplexes nicht, der in seinen Augen vor allem ein Konglomerat aus verschiedenen, mehr oder weniger gelungenen Anbauten ist. Im Falle seines Erhalts und einer aufwändigen Sanierung würde zum einen ein nur sanierter Bestand trotz eines unverhältnismäßig kostspieligen Aufwands keine Verbesserung der unzureichenden Arbeitsbedingungen bringen, zum anderen stelle sich dann das Problem eines Interims für den Betrieb von Kammerspiel, Schauspiel und Oper und eine 1.200-köpfige Belegschaft. Letzteres hält Winter für die Crux einer Sanierungslösung, da die Kosten für eine Zwischenlösung politisch kaum vermittelbar seien.

Scheitert eine Sanierung der Doppelanlage also an der Unmöglichkeit, ein für acht bis zehn Jahre leistungsfähiges Interim für den Spielbetrieb der städtischen Bühnen auf die Beine zu stellen? Doch über diese Variante, das wird im Austausch unter den Podiumsgästen deutlich, wurde bislang noch nicht intensiv und informiert genug diskutiert. Dass Frankfurt für die temporäre Auslagerung des Spielbetriebs jedoch Potenzial hat, macht Jens Jakob Happ mit seinem Hinweis auf den Leerstand von städtischen Büroflächen und bewährte Adressen innerhalb der Kulturlandschaft deutlich. Und er ergänzt die ganze Debatte um die bislang seltsam abwesende Frage nach der Moral: „Müssen wir nicht demütiger sein?“

(v. l. n. r.) Olaf Winter, Dr. Albrecht Kochsiek, Planungspolitischer Sprecher CDU, Foto: Moritz Bernoully

Lohnt es sich also, die Sanierung der Doppelanlage noch einmal in die stadtpolitische Diskussion zu bringen? Diese Frage greift Dr. Albrecht Kochsiek auf, um auf das inzwischen deutlich geschärfte Bewusstsein für die ökologischen Kosten des Bauens hinzuweisen. Die ‚graue Energie‘, so sein Einwurf, sei zum Zeitpunkt der Abriss-Entscheidung noch kein so prominentes Thema gewesen und kam in der Diskussion um das Pro und Contra eines Bestandserhalts allenfalls am Rande vor. Es sei also fraglich, ob die Stadtverordneten heute wieder so entscheiden würden. Für Moderator Helmut Kleine-Kraneburg eine Steilvorlage für die nächste provokante Frage, diesmal an die Vertreterin der mitregierenden Grünen: „Nehmen Sie die Entscheidung pro Abriss zurück?“ Julia Frank lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Aus ihrer Perspektive ist es nicht nötig, die Entscheidung rückgängig zu machen, sondern die etwaige Sanierung der bestehenden Doppelanlage in den auszulobenden Wettbewerb zu integrieren.

Doch ganz gleich, wie am Ende entschieden wird: Für die Zukunft ihrer städtischen Bühnen müssen die Frankfurter Bürger tief in die Taschen greifen. Noch ist nicht klar, für welche Variante – Spiegellösung, Kulturmeile, Sanierung der Doppelanlage (mit Teilabriss abgängiger Gebäudeteile) – die Stadtverordneten nach der Sommerpause stimmen. Auf dem Symposium wird nach einem kleinen Schlagabtausch zwischen Julia Frank und Albrecht Kochsiek als Vertreter der oppositionellen CDU auch deutlich, dass selbst die Parteien bislang zu keiner spruchreifen Position gefunden haben.

Julia Frank, Planungs- und Bildungspolitische Sprecherin Die Grünen, Foto: Moritz Bernoully

Die anschließenden Fragen aus dem Publikum spiegeln noch einmal die vielen Bedenken und Zweifel an der aktuellen Beschlusslage. Sind die Planungen mit Blick auf Zuschauerzahlen und Auslastung überdimensioniert? Ist die Spiegellösung wirklich mit dem geltenden Bebauungsverbot der Wallanlage vereinbar? Vertragen sich die logistisch erforderlichen Strukturen mit den Anforderungen an die städtebauliche Präsenz in zentraler Lage? Und kann man so eine über 100 Jahre gewachsene Großkonstruktion wie die Theater-Doppelanlage wirklich abreißen, ohne statische Verheerungen an unterirdischen Anlagen wie U-Bahn-Tunneln anzurichten?

Es gibt darauf zwar keine Antworten, doch ein selbstbewusstes Schlusswort von Andrea Jürges: „Wir haben in Frankfurt eine ganze Altstadt über einem Parkhaus und einem U-Bahn-Tunnel errichtet. Wir können schon ganz schön viel.“

Publikum, Foto: Moritz Bernoully

Weiterführende Links:

Eine Aufzeichnung der gesamten Veranstaltung finden Sie auf unserem YouTube-Kanal:

Presse:

"Architekten sprechen sich für Sanierung aus" von Mechthild Harting, FAZ

"Das Milliarden-Karussell dreht sich immer schneller" von Dankwart Guratzsch, WELT

 

Text: Dörries

 

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Wir weisen darauf hin, dass die Stiftungsarbeit des urban future forum e.V. ausschließlich durch Spenden finanziert wird. Als gemeinnütziger Verein sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen, um auch weiterhin interessante Veranstaltungen und Diskussionen zu ermöglichen.
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Wer bestimmt die Architektur der Stadt? Lernen von Europas Metropolen

Am Dienstag, 16. Mai 2023 fand in der IHK Frankfurt das diesjährige Metropolengespräch zum Thema "Wer bestimmt die Architektur der Stadt? Lernen von Europas Metropolen" statt.

Nach einer Begrüßung durch den Vorstandssprecher der Stiftung urban future forum e.V., Prof. Helmut Kleine-Kraneburg, und den Gastgeber und Geschäftsführer der IHK Frankfurt, Sebastian Trippen, begrüßte Moderator Dr. Matthias Alexander, F.A.Z., die Keynote Speaker Mattijs van Ruijven, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung in Rotterdam, Niederlande, und Katrin Gügler, Direktorin des Amtes für Städtebau in Zürich, Schweiz. Auf die Vorträge folgte eine gemeinsame Podiumsdiskussion der ReferentInnen mit Prof. Helmut Kleine-Kraneburg und Susanne Metz, Leiterin des Amtes für Landesplanung und Stadtentwicklung in Hamburg.

Wir bedanken uns herzlich bei der IHK Frankfurt für die gelungene Zusammenarbeit sowie bei den ReferentInnen für ihre wertvollen Beiträge.

Blick auf das Publikum

                                             Keynote Speaker Mattijs van Ruijven und Katrin Gügler (v.l.)

Podiumsdiskussion mit Moderator Dr. Matthias Alexander, Katrin Gügler Prof. Kleine-Kraneburg, Susanne Metz und Mattijs van Ruijven (v.l.)

Fotos: JH

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„Dauerhafte, gute (Stadt-)Architektur“ – Relation der Investitionskosten und Folgekosten

Schon mit seinem sperrigen Titel zeigt das vierte Symposium die Bereitschaft, Architektur über – aber nicht ohne – ästhetische Kategorien hinaus auch in ein Verhältnis zu ihren sozialen, wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen zu stellen. Es geht natürlich um Geld, aber viel mehr noch um die von Klima- und Energiekrise sowie demographischer Unwucht geprägten Produktionsbedingungen guter, dauerhafter städtischer Architektur.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Um die Qualität von Gebäuden, das zu ihrer Errichtung nötige Kapital und den verantwortungsbewussten Umgang mit geschaffenen Werten wird es erst am Schluss dieser Veranstaltung gehen. Und auch die Kostenfrage wird nicht annähernd geklärt sein, sondern bleibt bis auf Weiteres eine offene Rechnung mit sehr vielen Unbekannten.

Gastgeber Helmut Kleine-Kraneburg freut sich, dass es der Stiftung gelungen ist, für eine Art Zwischen-Inventur des gegenwärtigen Bauens jene zusammenzubringen, die auch in der Praxis eng miteinander zu tun haben: Bauherren, Energieversorger und Architekten. Stellvertretend sind dies neben der Architektin Astrid Wuttke vom Büro schneider + schumacher aus Frankfurt, Stefan Bürger von der GWH Immobilien Holding GmbH, Martin Giehl aus dem Vorstand des Energieversorgers Mainova sowie Roland Stöcklin von der SEG Stadtentwicklungsgesellschaft Wiesbaden. Sie sind eingeladen, über das zu diskutieren, was gute Architektur ist, welche Rolle sie im Hinblick auf die jeweils eigenen unternehmerischen Ziele spielt und wie sie unter Bedingungen einer von Klimakrise, wirtschaftlicher Ungewissheit und verschärfter sozialer Ungleichheit geprägten Gegenwart entstehen kann.

Begrüßung durch Vorstandssprecher Prof. Kleine-Kraneburg, Foto: Uwe Dettmar

Die Perspektive des Architekten liefert Kleine-Kraneburg noch in seiner Einführung. Den vitruvianischen Dreisatz – Firmitas, Utilitas, Venustas – ergänzt er um den eher flüchtigen und Schwankungen unterworfenen Begriff der Atmosphäre, aus der eine Stadt, ein Quartier und auch ein Gebäude seine Beliebtheit zieht. Diese Atmosphäre, die sich frei nach Gernot Böhm aus der belebenden „Reibung des Menschen mit der Umgebung“ entfaltet, entscheidet darüber, ob ein Haus, ein Viertel beliebt ist, in seiner Beschaffenheit gepflegt wird und deshalb von Bestand sein kann.

Solche eher ästhetischen Skrupel spielen im Tagesgeschäft von Martin Giehl eine untergeordnete Rolle. Als Vorstandsmitglied des in Frankfurt ansässigen Energieversorgers Mainova kümmert er sich um den sogenannten „unsichtbaren Städtebau“: die zumeist unterirdischen Strukturen einer Energie- und Wärmeversorgung, die bis zum Jahr 2035 auf eine klimaneutrale Grundlage gestellt werden müssen. Unter welchen Zeitdruck sein Unternehmen arbeitet, um das Pariser Klimaziel von maximal 1,5 Grad zu erreichen, zeigt er am Beispiel Frankfurt: Die Stadt verfügt für die kommenden zwölf Jahre über ein Emissionsbudget von 32 Millionen Tonnen CO2, also jene Menge Treibhausgas, die noch in die Atmosphäre entlassen werden darf, ohne das Klimaziel zu gefährden. Legt man den aktuellen jährlichen Verbrauch von 7,9 Tonnen CO2 zugrunde, wird klar, dass dieses Budget ohne Gegenmaßnahmen schon binnen vier Jahren erschöpft wäre.

Folien aus dem Vortrag von Martin Giehl
Impulsvortrag von Martin Giehl, Mitglied des Vorstandes der Mainova AG, Foto: Uwe Dettmar

Auch wenn in dieser Bilanz alle Sektoren – Bauen, Verkehr, Wohnen, Industrie, Infrastruktur – berücksichtigt sind, kommt der Energieversorgung dabei eine besondere Rolle zu. Und die große Frage lautet: Wie kann der CO2-Ausstoß innerhalb von nur zwölf Jahren um das Vierfache dessen reduziert werden, was seit 1990 bereits eingespart wurde?

Die Mainova setzt dafür auf ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen, gleichzeitig räumt Giehl ein, dass der dafür nötige materielle und finanzielle Aufwand geradezu kosmische Dimensionen annimmt und technische Mammutanstrengungen erfordert – vom Ausbau städtischer Strom- und Fernwärmenetze über die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren bis hin zur Energiegewinnung aus Biomasse und Wasserstoff. In seinem Vortrag stellt der Energiemanager die Frage zwar nicht, doch sie ergibt sich praktisch von selbst: Kann eine Gesellschaft ihre physische Basis binnen einer Dekade bei laufendem Betrieb auswechseln? Und was ist sie bereit, dafür zu bezahlen?

Impulsvortrag von Stefan Bürger, Vorsitzender der Geschäftsführung der GWH Immobilien Holding GmbH, Foto: Uwe Dettmar

Denn nicht nur die Energieversorgung spielt beim nachhaltigen Stadtumbau eine Rolle. Um was es dabei auch geht, erläutert Stefan Bürger von der GWH Immobilien Holding aus Frankfurt. Das Unternehmen gehört mit seinem bundesweit 53.000 Wohnungen umfassenden Bestand zu den größten Akteuren der Branche in Hessen. Bürgers Definition von Nachhaltigkeit lautet: Enkelfähigkeit. Gemeint ist damit eine Spanne, die weit über die ansonsten üblichen Abschreibungsfristen für Immobilien hinausreicht und mehrere Generationen an Nutzern umfasst. Welchen Herausforderungen sich ein Immobilienunternehmen mit dem Vorsatz der Enkelfähigkeit stellen muss, erweist sich bei näherer Betrachtung als multikausale Problemlage, bei der demographische Alterung, Globalisierung, technischer Fortschritt und wirtschaftliche Pfadabhängigkeiten mit den Erwartungen von Politik und Gesellschaft in einem, sacht formuliert, antagonistischen Spannungsverhältnis stehen.

Bei allem Bekenntnis zu Umbau vor Neubau und ressourcenschonender Nachverdichtung –angesichts der akuten Sachzwänge im Wohnungsbau drängt sich die Frage auf, was in dieser Rechnung eigentlich noch für die Schönheit des Gebauten übrig bleibt?

Stellvertretender Vorstandssprecher der Stiftung urban future forum e.V. und Moderator Jens Happ, Foto: Uwe Dettmar

Mit dieser Frage eröffnet Moderator Jens Jakob Happ die Diskussion, zu der neben den beiden Referenten die Frankfurter Architektin Astrid Wuttke und Roland Stöcklin von der kommunalen Stadtentwicklungsgesellschaft SEG aus Wiesbaden auf das Podium kommen.

„Es wäre fatal, wenn es keinen Spielraum mehr für Schönheit gäbe“, sagt die Architektin. Sie versteht es als Kerngeschäft ihres Berufsstands, diesen Spielraum, egal wie knapp, maximal auszunutzen. Als Beispiel führt sie die Sanierung einer Wohnanlage aus den 1970er-Jahren an, bei der ihr Büro mit den Qualitäten des Bestands arbeiten konnte und durch das geschickte Spiel mit Standards und Vorgaben auf den Einsatz von WDVS verzichten konnte, ohne die geforderten Energiesparziele zu unterlaufen. Es geht also. Doch dafür sind eben nicht nur gute Architektinnen und Architekten notwendig, sondern Bauherren mit einem Bewusstsein für den Nachhaltigkeitswert einer qualitativ satisfaktionsfähigen Architektur.

Podiumsdiskussion mit Moderator Jens Happ, Stefan Bürger, Astrid Wuttke, Martin Giehl und Roland Stöcklin (v.l.), Foto: Uwe Dettmar

Auch Roland Stöcklin plädiert für das Denken – und Rechnen! – in langfristigen Investitionen: „Wir müssen Qualität bauen, die nicht nach 20 Jahren abgerissen wird.“ Doch wo die Architektin noch die Valeurs von wiederverwertbaren Materialien und Oberflächen betont, ist dieser Aspekt für den Bauherrn Stöcklin zweitrangig: Er denke nicht zuerst an die Rückbaufähigkeit, sondern die möglichst lange Nutzbarkeit eines Gebäudes.

Roland Stöcklin, Geschäftsführer der SEG Stadtentwicklungsgesellschaft Wiesbaden mbH, Foto: Uwe Dettmar

Alle Diskutanten sind sich einig darin, dass die Mieten aufgrund der von Stefan Bürger exemplarisch erörterten Kostensteigerungen im Bau rasant steigen werden und aufgrund der abnehmenden Rentabilität im Neubausektor auch die Produktvielfalt gerade im Wohnungsbau rückläufig sei. Der GWH-Geschäftsführer bringt das Dilemma argumentativ verdichtet auf den Punkt: Sämtliche Transformationsprozesse, von der Zinswende der EZB über die politisch forcierte Klima- und Energiewende bis hin zur demographisch-sozialgeographischen Wende, verschränken sich in multiplen Zielkonflikten. Denn der Anspruch, gute, dauerhafte, energiesparende, vor allem aber reparaturfähige und deshalb nachhaltige Architektur zu schaffen, verträgt sich nicht mit den engen finanziellen und zeitlichen Vorgaben eines Wohnungsbaus, der einer wachsenden Nachfrage, zumal in den Ballungsräumen, weder vom Umfang noch von den Kosten her ein adäquates Angebot gegenüberstellen kann und zugleich im Rahmen eines notwendigerweise ambitionierten Klimaschutzplans agieren muss. Da ist von den eingangs aufgezeigten Dimensionen einer klimagerechten Modernisierung des Bestands und seines infrastrukturellen Betriebsvermögens – Heizungs-, Wasser- und Energieversorgung, Verkehr, Freiräume – noch gar nicht die Rede. Und leider auch nicht von guter Planung, hochwertiger Architektur und lebenswerten Städten.

Blick auf das Podium, Foto: Uwe Dettmar

Das gute Bauen berücksichtigt Pflege und Unterhalt im Betrieb eines Gebäudes von vornherein als integralen Bestandteil einer sorgfältigen Planung und hilft, hohe Folgekosten, bis hin zum Totalausfall einer Immobilie nach wenigen Jahren, zu vermeiden. Doch diese Bauweise setzt naturgemäß höhere Anfangsinvestitionen voraus. Wie beim vermeintlich besonders energieeffizienten Bauen verdeutlicht allerdings erst eine Vollkostenrechnung, also eine Gesamtbilanz des Energieverbrauchs und der eingesetzten Mittel über den gesamten Lebenszyklus, den wahren Wert solider Architektur. Vermeintlich überhöhte Investitionskosten für alterungsfähige, robuste Gebäude erweisen sich in dieser Bilanz sowohl materiell wie ideell mehr als gerechtfertigt – und sind aus gesamtgesellschaftlicher und ökologischer Perspektive die einzig nachhaltige Strategie.

Auch wenn das vierte Symposium keine Lösungen präsentieren kann – die wichtigen Fragen wurden gestellt.

Die vollständige Videoaufzeichnung finden Sie auf unserem YouTube Kanal:

Zum FAZ-Artikel 'Krise auf dem Wohnungsmarkt: 'Neubau funktioniert nicht mehr"' vom 10. Mai 2023, der unsere Veranstlaltung aufgreift, gelangen Sie hier (bitte klicken).

 

Text: Dörries

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