Leipzig Charta der Europäischen Union

Die Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt wurde anlässlich eines Minister-Treffens der Europäischen Union zur Stadtentwicklung und zum territorialen Zusammenhalt in Leipzig am 24/25. Mai 2007 angenommen. Die Ministerinnen und Minister erklären: “Mit dem Ziel unsere Städte zu schützen, zu stärken und weiter zu entwickeln, unterstützen wir, aufbauend auf dem Arbeitsprogramm von Lille, dem Urban Aquis von Rotterdam und dem Bristol Accord, nachdrücklich die Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union. Dabei sind alle Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung gleichzeitig und gleichgewichtig zu berücksichtigen. Hierzu zählen wirtschaftliche Prosperität, sozialer Ausgleich und gesunde Umwelt. Gleichzeitig sind die kulturellen und gesundheitlichen Erfordernisse zu beachten.” Die gewachsenen europäischen Städte sind ein wertvolles und unersetzliches Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsgut. Die europäischen Städte verfügen über einzigartige kulturelle Ressourcen, große und in ihrer Geschichte erprobte soziale Integrationskräfte und außergewöhnliche ökonomische Entwicklungschancen.

Unsere Städte sind Wissenschaftszentren und Quellen für Wachstum und Innovation. Unsere Städte müssen sich auf fundamentale gesellschaftliche Veränderungen einstellen. Alterung, Bevölkerungsschwund, Pluralisierung der Lebensstile, Zuwanderung aus außereuropäischen Ländern und die Miniaturisierung von Produktionsprozessen verändern das Leben in der Stadt und verändern die Stadt. Auf die Dauer können die europäischen Städte ihre Funktion als Träger gesellschaftlichen Fortschritts und wirtschaftlichen Wachstums nur dann wahrnehmen, wenn es gelingt, die soziale Balance innerhalb und zwischen den Städten aufrecht zu erhalten, ihre kulturelle Vielfalt zu schützen und eine hohe gestalterische, bauliche Qualität zu schaffen. Um die richtigen Schlüsse aus den fundamentalen gesellschaftlichen Veränderungen zu ziehen, brauchen wir mehr ganzheitliche Strategien und abgestimmtes Handeln aller am Prozess der Stadtentwicklung beteiligten Personen und Institutionen. Auch über die Grenzen der einzelnen Städte hinaus. Wir unterstützen und fördern die integrierte Stadtentwicklungspolitik.

Wir müssen ein neues Verantwortungsbewusstsein für integrierte Stadtentwicklungspolitik entwickeln. Wir brauchen eine verbesserte Politikabstimmung auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Die Entwicklung einer integrierten Stadtentwicklungspolitik stellt einen Prozess dar, in dem die Koordinierung zentraler städtischer Politikfelder, die Einbeziehung der verschiedenen Sektoren, der Beteiligten und der Öffentlichkeit und die Entscheidungen über die weitere Entwicklung in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht stattfinden. Der mit integrierter Stadtentwicklungspolitik erreichte Interessenausgleich bildet eine tragfähige Konsensbasis zwischen Staat, Regionen, Städten, Bürgern und wirtschaftlichen Akteuren. Integrierte Stadtentwicklungspolitik bindet verwaltungsexterne Akteure ein und beteiligt die Bürger aktiv an der Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfeldes. Zugleich kann damit eine größere Planungs- und Investitionssicherheit erreicht werden. Die isolierte Betrachtung stadt- entwicklungspolitischer Probleme muss überwunden werden, unsere europäischen Städte sollten Pfeiler der stadtregionalen Entwicklung sein und damit auch Verantwortung für den territorialen Zusammenhalt mit übernehmen. Wir unterstützen und fördern die Herstellung und Sicherung qualitätsvoller öffentlicher Räume.

Die Qualitäten von öffentlichen Räumen, urbanen Kulturlandschaften und von Architektur und Städtebau spielen für die konkreten Lebensbedingungen der Stadtbürger eine zentrale Rolle. Als weiche Standortfaktoren sind sie darüber hinaus wichtige Kriterien für Unternehmen, für qualifizierte und kreative Arbeitskräfte und für den Tourismus. Wir unterstützen und fördern eine aktive Innovations- und Bildungspolitik. Deshalb unterstützen und fördern wir die Intensivierung des Zusammenwirkens von Architektur, Infrastruktur und Stadtplanung mit dem Ziel, attraktive, nutzerorientierte öffentliche Räume mit hohem baukulturellen Niveau zu schaffen. Die Ansprüche von Baukultur dürfen jedoch nicht nur auf öffentliche Räume beschränkt werden. Baukultur ist eine Notwendigkeit für die Stadt als Ganzes und deren Region. Die Städte und auch der Staat müssen hier ihren Einfluss geltend machen. Dies gilt insbesondere bei der Bewahrung des baukulturellen Erbes. Wir unterstützen und fördern alle Maßnahmen, die der Herstellung der sozialen Balance dienen. Wissen entsteht zum großen Teil in Städten und wird auch dort vermittelt. Ob das Wissenspotential einer Stadt optimal genutzt wird, hängt von der Qualität der vorschulischen und schulischen Bildung, von der Durchlässigkeit des Schulsystems und beruflichen Ausbildungssystems und der sozialen und kulturellen Netzwerke, von Angeboten für lebenslanges Lernen, von der Exzellenz der Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstitute und vom Transfer-Netzwerk zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ab. Integrierte Stadtentwicklungspolitik kann zur Verbesserung dieser Faktoren beitragen, z.B. indem sie die beteiligten Akteure zusammenführt, Netzwerke unterstützt und Standortstrukturen optimiert. Integrierte Stadtentwicklung fördert den sozialen und den interkulturellen Dialog. Integrierte Stadtentwicklungskonzepte und ein kooperatives Stadtentwicklungs- management bieten die Chance für gesellschaftliche und demokratische Teilhabe. Die Bürger-Stiftung “Für die Zukunft der europäischen Stadt” unterstützt die Leipzig Charta der Europäischen Union. Städte weisen große Unterschiede innerhalb ihrer Gebietsgrenzen auf, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Chancen, aber auch im Hinblick auf Umweltqualitäten. Hinzu kommt, dass die sozialen Differenzierungen und wirtschaftlichen Entwicklungsunterschiede häufig zunehmen und damit zur Destabilisierung in den Städten beitragen. Daher ist auch die Schaffung und der Erhalt von Sicherheit ein wichtiges Handlungsfeld in der integrierten Stadtentwicklungspolitik.

Wir müssen den Bewohnern in Stadtquartieren, die von Verfall und sozialer Ausgrenzung bedroht sind oder wirtschaftlich und sozial in ihrer Umweltqualität und ihrem baulichen Erscheinungsbild benachteiligt sind, Perspektiven und Hilfestellungen sowie Präventionsmaßnahmen anbieten. Um die optimale Lösung für jedes einzelne Stadtquartier zu finden, ist eine aktive Beteiligung der Bewohner und eine Intensivierung des Dialogs zwischen Vertretern aus Politik, Bewohnern und wirtschaftlichen Akteuren erforderlich. (Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt)