Review zur Veranstaltung: Gastronomie und Hotellerie als Motoren der Stadtentwicklung: Die Krise als Chance oder finaler Shutdown?
Montag, 18. Januar 2021
19:00 Uhr
Livestream auf YouTube
Das Coronavirus stellt Gastronomie und Hotellerie vor große Probleme: Die Branche verzeichnet einen massiven Umsatzeinbruch und kämpft seit Monaten ums Überleben. Die Einschränkungen im Gastgewerbe könnten irreversible Folgen für unsere Städte haben: Tourismus, Bar- und Kneipenszene, das kulturelle Leben der Großstadt sind weitgehend zum Erliegen gekommen. Den pulsierenden Metropolen wurde eine Zwangspause verordnet. Wie lange kann das gut gehen? Wie verändern leere und geschlossene Gaststätten und Hotels unsere Städte? Welche Lösungen und Ideen aus der Krise gibt es?
Der Beantwortung dieser Fragen widmete sich die erste Livestream-Veranstaltung des Urban Future Forum im neuen Jahr 2021. Die Veranstaltung war die erste von insgesamt fünf aus der Reihe „STADT“, die in Kooperation mit der Montagsgesellschaft e.V. realisiert wird.
In der von Dr. Stefan Söhngen moderierten Podiumsrunde diskutierten der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, Boris Tomic, Chefredakteur des Fachmagazins „Food Service“ sowie Klaus Beine vom Wirtschaftsrat Hessen.
Boris Tomic betonte gleich zu Beginn, dass es der Branche extrem schlecht gehe. Innenstadt-Hotels hätten derzeit nicht mehr als 20% Auslastung und das Take-away-Geschäft in der Gastronomie kompensiere nur maximal 15-25% der gewohnten Umsätze. Es gebe zwar durchaus kreative Konzepte, wie beispielsweise Drive-through-Varianten mit Rollerblades, jedoch seien geschlossene Restaurants auf Dauer nicht durchzuhalten. Hinzu kommt, dass viele Gastronomen in die Umsetzung von Hygienevorschriften investiert hätten und auch ein Großteil der versprochenen Staatshilfen noch nicht geflossen sei. Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) stehen 80% der Gastronomiebetriebe bis Mitte des Jahres vor der Insolvenz. In Bezug auf die noch nicht angekommenen Staatshilfen wies Tomic zudem darauf hin, dass es extreme Software-Probleme und verschiedenste Abstimmungsprobleme zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Finanzministerium gebe.
Auch Klaus Beine kritisierte die noch nicht geflossenen Fördermittel. Betreibern bliebe nur der Klageweg, um nicht erhaltende Mittel rückwirkend einzufordern. Beine hätte sich zudem differenziertere Konzepte für die Branche gewünscht, insbesondere im Hinblick auf die Außengastronomie hätten mit Heizpilzen, Abstandsregeln und Masken Möglichkeiten für die kalte Jahreszeit entwickelt werden können.
Peter Feldmann nannte einige Ideen aus dem Mitte Januar vorgestellten „Frankfurt-Plan“, der eine Wiederbelebung der Frankfurter Innenstadt nach dem Lockdown anstrebt. So gebe es beispielsweise die Überlegung für „Night-Shopping“-Events, für diverse Gutscheinaktionen sowie für die Aktion „Gast in der eigenen Stadt“, die Frankfurtern Übernachtungen in Frankfurter Hotels zu einem reduzierten Preis anbiete. Daneben gebe es Konzepte für ein Leerstandsmanagement z.B. durch Pop-up-Stores, sodass leere Schaufensterscheiben mit kreativen Ideen gefüllt werden könnten.
Beine hielt dagegen, dass Vermieter an solchen Pop-up-Stores kein Interesse hätten, da sie damit keine Einnahmen erzielten. Darüber hinaus kritisierte er, dass Feldmann zwar einerseits die Innenstädte beleben möchte, andererseits jedoch verkehrspolitisch dichtmache. Das Auto wolle aus der Stadt verbannt werden, verschiedene Beruhigungsmaßnahmen und Parkhausgebühren führten dazu, dass immer weniger Leute in die Stadt fahren wollten. Beine forderte daher ein Umdenken in der Form, dass ein „Verweil-Komfort“ geschaffen werde und die Leute dazu eingeladen würden, bequem mit dem Auto in der Stadt einzukaufen.
Auch Tomic bemängelte, dass die von Feldmann vorgestellten Ideen zu kurzgefasst seien. Er betonte, dass diese Pandemie die Innenstädte massiv verändern werde. Um dies zu veranschaulichen wies er auf eine Umfrage des Deutschen Handelsverbandes hin, der zufolge 23% der Einzelhändler im ersten Halbjahr 2021 ihre Geschäfte aufgeben müssen und weitere 28% im zweiten Halbjahr. Es brauche daher, so Tomic, langfristige Konzepte, welche die Situation in fünf bis fünfzehn Jahren ins Auge fassten. Die Diskussion habe gezeigt, dass der Wunschtraum von der Innenstadt der Zukunft eine Kombination aus Wohnen, Gastronomie, Kultur und Grünflächen ist und dies müsse auch über die Architektur geschaffen werden. Tomic wünsche sich daher, dass die Stadt Frankfurt ein Citymarketing entwickle, das Frankfurt „mindestens so attraktiv macht, wie es vor der Pandemie war“.
Die Veranstaltung hat deutlich gemacht, dass Gastronomie und Hotellerie sowohl Wachstumstreiber als auch eine Bereicherung des urbanen Raums und Geschehens waren. Es ist jedoch nicht nur von Belang, die Situation des Gastgewerbes während und infolge der Corona-Pandemie zu diskutieren, sondern auch grundsätzlich die zukünftige Rolle von Gastronomie und Hotellerie zu erörtern. Dies kam leider aufgrund der Kürze der Zeit zu kurz, da das Gespräch mehrmals in die größere Thematik der Verödung der Innenstädte schwenkte. Es war somit eine Diskussion, die zur weiteren, intensiveren Betrachtung des Themas der Gastronomie und Hotellerie einlädt, was wir in zukünftigen Veranstaltungen gerne erneut aufgreifen möchten.
(Text: Hannah Maser, Mitarbeiterin des Urban Future Forum e.V.)