Review zum Metropolgespräch: Nachgeschaut: Stadtteil-, Quartiers- und Platzentwicklung. Die Frankfurter Hauptwache

Mittwoch, 10. April 2019
18:00 – 20:00 Uhr
IHK Frankfurt am Main / Börsenplatz 4 / 60313 Frankfurt am Main

Die Hauptwache und die Konstablerwache sind wichtige Plätze und Stadtbausteine für die Frankfurter Innenstadt. Die Zeil verbindet beide miteinander und ist nach einem beschränkten Realisierungswettbewerb im Jahr 2000 umgestaltet worden. Dieses „Glück der zeitgemäßen Umgestaltung“ bleibt bis zum heutigen Tag der Haupt- und der Konstablerwache verwehrt. Der Bau des Bahnhofs Frankfurt/Main-Hauptwache machte 1968 aus der, nach dem Krieg wieder aufgebauten Hauptwache, ein „Gebäude auf einer Insel“ mit umgebenden U-Bahn-Zugängen. Dieses „Stadtloch“ ist bis heute trotz mehrfacher Absichtserklärungen zur Umgestaltung und eines für 2017 in Aussicht gestellten Architekturwettbewerbs noch nicht geschlossen. Ebenso unbefriedigend stellt sich die Konstablerwache hinsichtlich der Gestaltung und Funktionalität dar. Beide Platzsituationen offenbaren heute ein städtebauliches Fiasko.

Außer zaghaften und unbestimmten Absichtserklärungen, Terminversprechungen und verschobenen Realisierungswettbewerben hat sich an dem gestalterischen und städtebaulichen Dilemma dieser beiden, für Frankfurt so außerordentlich wichtigen Plätze nichts getan. Warum das so ist, wurde im Metropolengespräch des Urban Future Forum in Kooperation mit der IHK Frankfurt nachgefragt und anhand von Planungsszenarien resp. vergleichbarer Situationen in anderen Städten das Potential dieser Plätze aufgezeigt.

Prof. Dr. Martin Wentz, Vizepräsident, IHK Frankfurt/Main: „Plätze und öffentlicher Raum in der Innenstadt von Frankfurt/Main“
Nach einem ausführlichen Abriss über die verschiedenen Phasen der Entwicklung von Konstablerwache und vor allem der Hauptwache, die mit der Sperrung des Platzes für den Durchgangsverkehr in 2009 und einem neuen Bodenbelag der Zeil in 2010 den heutigen Zustand erreichte, betonte er, dass eine bauliche Erneuerung beider Plätze in allen Parteien unstrittig sei. Er berichtete in diesem Zusammenhang auch über den nach dem letzten Planungswettbewerb von 2009 gefassten Beschluss der Stadt, das Hauptwachen-„Loch“ baulich zu entfernen. Hierfür fehlten allerdings seither die finanziellen Mittel sowie insbesondere eine von allen Seiten der Stadtpolitik getragene Planung.

Prof. Dr. Wolfgang Sonne, TU Dortmund: „Wissenschaftlicher Diskurs: Stadtplätze im öffentlichen Leben“
Am Beispiel von bekannten Plätzen im In- und Ausland verdeutlichte er die allgemeine Funktion und Bedeutung von Zentralplätzen.Definiert ist ein Platz stets durch seine Geschlossenheit als Zentrum einer Stadt oder eines Quartiers. Besonders stellte er heraus, dass Stadtplätze vor allen anderen Anforderungen an sie traditionell eine Bühne für das öffentliche Leben waren und auch heute sein sollen.

Amandus Samsoe Sattler, Architekt, Allmann Sattler Wappner Architekten GmbH, München: „Best Practice: Der Stachus in München“
Er berichtete über die Grundlagen für den Gewinn des Architektenwettbewerb zur Neugestaltung des Stachus durch seine Firma in 2007. Hierbei musste der Verkehrsknotenpunkt von Automobil, öffentlichen Verkehrsmitteln und Fußverkehr mit drei darunter liegenden Etagen mit einer B-Ebene als Einkaufszentrum neu gestaltet werden. Seine Konzeption bestand in einer verbesserten Orientierbarkeit durch Bündelung der Nutzung in geometrischer Kreisform und einer hellen Innenraumgestaltung. Nach Umsetzung seiner Idee wird der Stachus heute als Shopping-Mall mit rund 60 Geschäften in zwei Untergeschossen angesehen, den täglich 240-tausend Menschen frequentieren.
In Bezug auf die Hauptwache rief er auf, diesen „Unort in der Stadt“ zu beseitigen. Von den Planungsverantwortlichen forderte er basierend auf seinen Erfahrungen beim Stachus-Projekt, eine „Ja-Kultur“ anstelle der üblich gewordenen „Bedenkenkultur“ ein, damit erst einmal ein vorbehaltloses und damit kreatives Planungsdenken in Gang kommen kann.

In der von Rainer Schulze (FAZ) moderierten Podiumsdiskussion wurde sich von allen Teilnehmern für den zeitnahen Beginn der Weiterentwicklung von Haupt- und Konstablerwache ausgesprochen:

Michael Hootz, Abteilungsleiter Öffentlicher Raum, Verkehrsplanung, Ökologie und Landschaftsplanung im Stadtplanungsamt Frankfurt:
Er ging zurück auf die Richtlinienplanung für Zeil, Hauptwache und Konstablerwache im Jahr 2000 und stellte dar, dass daraus die Entwicklung der Zeil als Fußgängerzone inklusiv des heutigen Beleuchtungskonzeptes bereits umgesetzt sei. Die Fassung des Hauptwachenplatzes durch die bestehenden historischen Gebäude sei nicht nur seiner Auffassung nach erhaltenswert. Um dies abzusichern ist bereits seit einigen Jahren eine neue Planungs- und Machbarkeitsstudie mit Kostenplanung vorgesehen, was bisher allerdings an nicht bereitgestellten städtischen Finanzmitteln scheiterte. Für ihn hat die heutige konzeptionelle Gestaltung des Stachus durchaus auch Vorbildfunktion für die Hauptwache.

Klaus Oesterling, Stadtrat, Dezernent für Verkehr der Stadt Frankfurt:
Er befürwortet, in den zentralen Zonen Haupt- und Konstablerwache urbanes Leben zu fördern und diese Plätze deshalb ausschließlich an die Fußgänger zurückzugeben. Der politische Rahmen sieht allerdings derzeit keine entsprechende Richtlinie mangels gültigem politischen Konsens vor, was ihn veranlasst an die verantwortlichen Politiker zu appellieren, endlich eine klare Vorgabe und den Startschuss für die seit langem vorgesehene Anschlussplanung zu geben.Als wesentlichen Kritikpunkt für die gegenwärtige Situation der Hauptwache spricht er das konzeptlose Betreiber-Management durch die VGF (Verkehrsbetriebe der Stadt Frankfurt) an und fordert, die Verantwortung für die B-Ebene an einen privaten Betreiber mit der Kernkompetenz „Center-Management“ zu übergeben. Die aus Brandschutzgründen erforderliche Ertüchtigung der Haustechnik sieht er als Voraussetzung für jedwede Entwicklung der Hauptwache an- die dafür erforderliche Investition in Höhe von ca. € 70 Mio wird von der VGF seit längerem blockiert.

Prof. Dr. Martin Wentz:
Er unterstrich, dass die ursprüngliche Beschlusslage, die vorsah das Hauptwachenloch zu schließen, nach wie vor gültig sei. Die Diskussion über die Ausschreibung der vorgesehenen Anschlussplanung in Form eines neuen Planungswettbewerbs sieht er durch die VGF blockiert. Er sieht auch nicht die Techniksanierung als Voraussetzung für jedwede Weiterentwicklung an, sondern fordert davon unabhängig die frühere Beschlusslage endlich weiter zu verfolgen. Um die Attraktivität der B-Ebene anzuheben, spricht er sich für einen privaten Betreiber aus. Er weist auch darauf hin, dass der Platz an Beständigkeit verlieren würde, wenn die Nutzung des Platzes eingeschränkt bleiben oder gar weiter verringert werden würde.

Amandus Samsoe Sattler:
Er beschreibt den gesamten Untergrund der Hauptwache und deren Nutzung als nicht repräsentativ für Frankfurt. Auch der heruntergekommene Pflegezustand führt dazu, dass der Hauptwachenplatz mit seinem „unsinnigen Loch“ heute seinen Charakter als öffentlicher Raum verloren hat. Insgesamt fehle ihm das stimmige Gesamtkonzept für den Platz und dessengesamte Nutzung. Hierfür brauche die Stadt einen starken Partner, die Verkehrsbetriebe mit Kompetenz für wandelbare und nicht nachhaltige Technikvorschriften seinen dafür ungeeignet und nicht entscheidungsrelevant. Eine Zwischennutzung der B-Ebene durch z.B. Museen hält er für möglich.

Prof. Dr. Wolfgang Sonne:
Er bemängelte die die Form- und Orientierungslosigkeit des Hauptwachenlochs, das keine klare Funktion erlaubt. Die Randbebauung ist stadtgerecht, hierzu passend hält er die Gestaltung der 0-Ebene zur Wiederherstellung eines funktionierenden öffentlichen Raumes für essentiell. Eine B-Ebene hält er in dem vorhandenen Umfeld für nicht sinnvoll.

Vielen Dank an unser Kuratoriumsmitglied Dr. Thomas Kohts, der uns diesen schriftlichen Überblick zur Verfügung gestellt hat.